Putins Demokratur by Boris Reitschuster

Putins Demokratur by Boris Reitschuster

Autor:Boris Reitschuster
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
veröffentlicht: 2014-04-29T00:00:00+00:00


Putins Prügeltrupp »Entweder du kommst ins Grab oder in den Rollstuhl«: Es waren finstere Aussichten, mit denen der Mann im Trainingsanzug dem schmächtigen 18-jährigen Roman Sadychow drohte. Doch er bot auch einen Ausweg: »Wenn du mit uns zusammenarbeitest, kommst du heil davon.« Es waren keine Gangster, die dem Studenten im März 2007 auf einer Moskauer Polizeiwache zusetzten, sondern Mitarbeiter des KGB-Nachfolgers FSB, behauptet Sadychow.

Wie auch immer: Den Zorn der Staatsmacht hat er sich jedenfalls zugezogen. Ein Jahr lang machte der junge Mann undercover bei der Jugendorganisation Rumol (Junges Russland) Karriere. In Wallraff-Manier hatte er sich eingeschleust und verriet dann Details aus seiner Zeit dort an die Öffentlichkeit. Mit dem Segen des Kreml organisiere Rumol einen geheimen Stoßtrupp namens Ultras für den Straßenkampf gegen die Opposition, behauptet Sa­dychow. Rauchbomben werfen stehe ebenso auf dem Programm wie brutales Prügeln, das in Rollenspielen eingeübt werde – alles gegen Bezahlung. Eine andere Abteilung verbreite im Internet kremlfreundliche und chauvinistische Leserbriefe und Blog-Einträge – gegen baren Rubel. Der V-Mann nahm Treffen des Jugendverbands mit hohen Kremlbeamten heimlich auf Tonband auf. Der Vizepräsidialamtschef Wladislaw Surkow etwa, so Sadychow, sei ganz begeistert gewesen von der Straßenkampfausbildung und habe sie »wahnsinnig interessant« gefunden. Auf den Tonbändern ist zu hören, wie Surkow fordert, Russlands Wirtschaft müsse konkurrenzfähig mit dem Westen werden. Ein hehres Anliegen – nicht so das Mittel, das Surkow empfiehlt: Industriespionage.

Rumol-Chef Maxim Mischtschenko dementiert die Berichte Sadykows: »Alles Lüge.« Es gebe zwar die Ultras, und sie würden auch derbe Aktionen durchführen – aber sie blieben stets sauber: »Unfaire Mittel verwendet nur die Opposition.« Die wiederum glaubt, dass der Kreml vor der Parlamentswahl im Dezember und der Präsidentenwahl im März 2008 mit Gewalt die Herrschaft über die Straße gewinnen will. »Die Furcht vor unkontrollierten Demos und einer Revolution wie in der Ukraine sitzt tief. Die Gruppierungen an der Macht halten sich als Gegenmittel Jugendgruppen wie Feudalfürsten Landsknechte«, meint der Politologe Nikolaj Petrow vom Moskauer Carnegie-Zentrum.

Angst vor der Bedrohung durch den Westen, Patriotismus und Putin-Begeisterung: Das sind die gemeinsamen Nenner der kremlnahen Jugendorganisationen. Alle sind stramm organisiert. Selbst die moderate Junge Garde weiß im Voraus, wie viele Teilnehmer zu einer Demo kommen werden, denn spontan erscheinen die jugendlichen Massen kaum: Sie werden in Bussen angekarrt und mit Konzerten oder Grillabenden als Begleitprogramm gelockt.

Während in der Stadt Nischnij Nowgorod rund 1000 Oppo­sitio­nelle bei einem Protestmarsch gegen Putin auf 20 000 Polizis­ten mit Schlagstöcken trafen, mobilisierte die Rumol-»Schwester­organisation« Naschi (Die Unsrigen) in Moskau 15 000 junge Russen, die zur Unterstützung des Präsidenten auf die Straße gingen. »Putin hat die Leute dazu gebracht, an sich selbst zu glauben. Ohne ihn wärst du ein anderer Mensch«, hieß es auf einem dort verteilten Handzettel, der Parallelen zieht zu 1941, als Hitler Russland überfiel: Damals »waren wir nicht bereit zum Krieg und haben 27 Millionen Menschen verloren. 2007 müssen wir entscheiden, ob wir Putins Kurs beibehalten – oder eine Rohstoff-kolonie des Westens werden wollen.«

Rumol agitiert noch heftiger. Auf seinem Flugblatt stellt es die Sterne auf der US-Flagge als Hakenkreuze dar, die Streifen als Stacheldraht. Am 4.



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